Aktion in 31 Teilen
im Kabelwerk-Areal in Küchen, Waschküchen, Lokalen, Treppenhäusern, Aufzügen, Kellern, auf Balkonen, Plätzen, Spielplätzen, in einem Auto und am Pool
Text nach SOPHOKLES
Musik von GEORGES APERGHIS / FREDERIC CHOPIN / PAUL BEN-HAIM / MARGARETE HUBER / KAZIMIERZ JUSKOWIAK / TOSHIRÕ MAYUZUMI / FABIÀ SANTCOVSKY / U.A.
31 unterschiedliche Kurzstücke von 5 bis 20 Minuten werden an verschiedenen Orten außerhalb des Theaters im Areal Kabelwerk zu Fuß zu ergehen sein. Thematisiert wird die geheimnisvolle Tragödie des Ödipus aus einer radikal aktualisierten Perspektive – ist es nicht so, dass wir mehr denn je glauben, unser Schicksal in der Hand zu haben? Der Mensch hat gedacht, und Gott hat gelacht.
Eine Produktion der OPER UNTERWEGS in Koproduktion mit MUSIKTHEATERTAGE WIEN
„Ich habe kein Vaterhaus,
und habe auch keines verloren...“
Rainer Maria Rilke, in Der Letzte
Der Titel unserer Musiktheater-Aktion greift die Verlorenheit des Ödipus auf, ausgesetzt wie Sterntaler, verstümmelt wie das Mädchen ohne Hände, zum Tod verurteilt wie Schneewittchen. Gleichzeitig geht es aber auch um unsere Verlorenheit der Figur gegenüber: soll man ihn bemitleiden? verachten? zum Vorbild nehmen? ihn bewundern? Ödipus, der sich als der definiert, dem die Götter das allergrößte Leid unter den Menschen aufgebürdet haben, ist keine feste Größe. Es ist schwer, sich an ihm zu reiben, in Konflikt mit ihm zu treten. Die Argumente hat er alle ausgetauscht: in Ödipus auf Kolonos, dem Fortsetzungsstück zum Stück aller Stücke König Ödipus rechnet er mit allen ab.
Nicht zufällig wird er die zentrale Figur der Religion des 20. Jahrhunderts, der Psychoanalyse, Ödipus löst Jesus Christus ab. In Ödipus erkennen wir uns wieder, auch wenn man sich noch so oft darüber lustig gemacht hat: Seine Geschichte macht klar, dass es kein Lebensrezept gibt, nach dem man glücklich werden könnte, und zwar nicht, weil das böse Orakel mit uns Schabernack treibt, sondern weil wir die geheimnisvollen Kräfte, die in uns wirken, nicht durchschauen.
Ödipus, unser Selbst, unser Spiegelbild, den wir beerbt haben, obwohl er nichts zu vererben hatte, wir kennen ihn, in Heines Worten, „wie wir unser eignes Gesicht kennen, das wir so oft im Spiegel erblicken und das uns dennoch weniger bekannt ist, als man glauben sollte; denn begegnete uns jemand auf der Straße, der ganz so aussähe wie wir selber, so würden wir das befremdlich wohlbekannte Antlitz nur instinktmäßig und mit geheimen Schrecken anglotzen, ohne jedoch zu merken, daß es unsere eignen Gesichtszüge sind, die wir eben erblickten.“ ¹
Die OPER UNTERWEGS geht den Spuren nach und findet das eine oder andere, versprochen!
¹ Heinrich Heine: Ophelia. In: Shakespeares Mädchen und Frauen. Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 5, Berlin und Weimar 1972. Erstdruck 1839.