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Ich war bei den Toten zu Gast. Es war eine große reinliche Gruft, einige Särge standen schon dort, es war aber noch viel Platz, zwei Särge waren offen, es sah in ihnen aus wie in zerwühlten Betten, die eben verlassen worden sind. Ein Schreibtisch stand ein wenig abseits, so daß ich ihn nicht gleich bemerkte, ein Mann mit mächtigem Körper saß hinter ihm. In der rechten Hand hielt er eine Feder, es war, als habe er geschrieben und gerade jetzt aufgehört, die linke Hand spielte an der Weste mit einer glänzenden Uhrkette und der Kopf war tief zu ihr hinabgeneigt. Eine Bedienerin kehrte aus, doch war nichts auszukehren.
In irgendeiner Neugierde zupfte ich an ihrem Kopftuch, das das Gesicht ganz verschattete. Jetzt erst sah ich sie. Es war ein Judenmädchen, das ich einmal gekannt hatte. Sie hatte ein üppiges weißes Gesicht und schmale dunkle Augen. Als sie mich jetzt anlachte, mitten aus ihren Fetzen, die sie zu einer alten Frau machten, sagte ich: "Ihr spielt hier wohl Komödie?" "Ja", sagte sie, "ein wenig. Wie du dich auskennst!" ... Ich wandte mich zu ihr und wir gingen Arm in Arm weiter in der Gruft. Der Besen störte mich. "Wirf den Besen weg", sagte ich. "Nein, bitte", sagte sie, "laß mich ihn behalten. Daß mir das Auskehren hier keine Mühe machen kann, siehst du doch ein, nicht? Nun also, aber ich habe doch gewisse Vorteile davon, auf die ich nicht verzichten will. Wirst du übrigens hier bleiben?" fragte sie ablenkend. "Deinetwegen bleibe ich hier gern", sagte ich langsam. Wir gingen nun eng aneinandergedrückt wie ein Liebespaar. "Bleib, o bleib", sagte sie, "wie habe ich mich nach dir gesehnt. Es ist nicht so schlimm hier, wie du vielleicht fürchtest. Und was kümmert es uns zwei, wie es um uns ist." Wir gingen ein Weilchen schweigend, die Arme hatten wir voneinander gelöst, wir hielten uns jetzt umschlungen. Wir gingen auf dem Hauptweg, rechts und links waren Särge, die Gruft war sehr groß, zumindest sehr lang. Es war zwar dunkel, aber nicht vollständig, es war eine Art Dämmerung, die sich aber auch noch ein wenig aufhellte, dort, wo wir waren, und in einem kleinen Kreis um uns. Plötzlich sagte sie: "Komm, ich werde dir meinen Sarg zeigen." Das überraschte mich. "Du bist doch nicht tot", sagte ich. "Nein", sagte sie, "aber um die Wahrheit zu gestehn: ich kenne mich hier nicht aus, deshalb bin ich auch so froh, daß du gekommen bist." ... Dann waren wir bald bei des Mädchens Sarg. Er war mit schönen spitzenbesetzten Kissen ausgestattet. Das Mädchen setzte sich hinein und lockte mich hinunter, weniger mit dem winkenden Zeigefinger als mit dem Blick. ...
aus dem achten Oktavheft
Titel zugefügt
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